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Blutige Pawlatsche

Die Pawlatsche aus unverputzten Ziegeln ergänzte die nördliche Stirnseite des Kapiteldekanats im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Wie schon ihr Name verrät, der Hauptgrund für die Entstehung der Terrasse war die Erinnerung an den Mord des letzten böhmischen Königs aus dem Geschlecht der Přemysliden - Wenzel III. In die Wand am Eingang in die Pawlatsche ließ der Dekan Rudolph Thysebaert sogar eine Gedenk-Marmorplatte einsetzten, die ausdrücklich behauptet, dass der böhmische König Wenzel III. am 4. August 1306 gerade hier ermordet wurde. Darin lagen aber der Dekan und seine Berater falsch. Der sechzehnjährige Herrscher, der damals seinen Kreuzzug nach Polen aus Olmütz organisierte, wurde an einem anderen Ort umgebracht - in einem heute nicht mehr existierenden Palast, der sich ungefähr an der Stelle des letzten Saals der heutigen Ausstellungsgalerie im Erdgeschoss des Museums befand.

Obwohl wir den Ort des Mordes wenigstens ungefähr kennen, bleibt das Motiv, der Täter und der Verlauf wahrscheinlich für immer ein ungelöstes Geheimnis. Unbestritten ist nur der Tag des Mordes. Wahrscheinlich stach der Mörder Wenzel III. dreimal mit dem Messer in die Brust. Alles andere sind Vermutungen. Obwohl die österreichischen Habsburger oft für die Initiatoren des Mordes bezeichnet wurden, geschah dies eher auf Anlass des böhmischen Adels, der fürchtete, dass der König sein Eigentum konfisziert.

Kommen wir aber von der Phantasie wieder zurück zur Blutigen Pawlatsche. Obwohl sie die Archäologen und Historiker ihres Zaubers einer romantischen Legende beraubten, ermöglicht die Terrasse an sich schöne und bei gutem Wetter auch romantische Ausblicke in die Umgebung. Bei unserem letzten Halt auf dem Weg eines Jahrtausends der geistigen Kultur in Mähren, können wir uns von dem Ausblick auf den benachbarten Dom des Hl. Wenzels, mit dem nicht weit entfernten ehemaligen Prämonstratenser Kloster Hradisch, dem Wallfahrtsdom der Jungfrau Mariä Heimsuchung auf dem Heiligenberg, aber auch mit der hiesigen fruchtbaren Landschaft und den Spitzen des Niederen Gesenkes verabschieden. Also von der Region, aus derer künstlerischen Erbschaft ihrer Vergangenheit Ihnen das Erzdiözesan Museum einen unentbehrlichen Teil vorstellen konnte.

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Unsere Besichtigung muss hiermit aber nicht enden. Das Kunstmuseum in Olmütz verwaltet nicht nur Sammlungen alter Kunst im Erzdiözesan Museum, aber stellt auch Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts im Museum der modernen Kunst aus, das ungefähr fünf Minuten zu Fuß von hier entfernt ist. In der Dauerexposition, Das Jahrhundert der Relativität, können Sie wieder den Sprachbegleiter nutzen.